Endlich Feierabend, nur noch schnell das Abendessen besorgen und dann ab nach Hause. Gut eine Stunde später verlässt man den Supermarkt mit zwei voll beladenen Taschen wieder. Dabei wollte man doch eigentlich nur Nudeln, Tomaten, Eier und Käse kaufen…
Grund dafür ist bereits die Entscheidung, die wir schon vor dem Betreten des Ladens treffen: Einkaufswagen, Einkaufskorb oder reichen doch kurz die Hände?
Am bequemsten ist natürlich der Einkaufswagen. Man muss nicht schwer tragen und kann gemütlich durch den Markt gehen – und immer mehr hineinlegen. Dadurch, dass sich die „Ladefläche“ des Einkaufswagen nach hinten leicht absenkt und breiter wird, sammeln sich die Produkte dort. Beim Gehen sieht man nur den vorderen Teil, wodurch er lange ziemlich leer erscheint.
Eingangsbereich
Eben eilte man noch gehetzt über den Parkplatz des Supermarktes um schnell die letzten Einkäufe für heute Abend zu erledigen, und plötzlich bemerkt man zum ersten Mal etwas bewusster, dass man viel langsamer geht.
Im Eingangsbereich – der sogenannten Dekompressionszone – eines Ladens liegt die höchste Priorität darin, die Kunden erst einmal in Ruhe ankommen zu lassen. Angespannte Käufer:innen sind mit der größte Feind von Händler:innen. Sie rennen mit Tunnelblick durch den Markt und nehmen die wenigsten Produkte wahr – Impulskäufe sind hier Fehlanzeige. Außerdem sind Stressreaktionen grundsätzlich mit negativen Gefühlen belastet, man wird vorsichtiger, hinterfragt Angebote und meidet jedes (Kauf-)Risiko. Ein orientierungsfreundlicher, klar strukturierter Eingangsbereich ist somit unumgänglich.
Oft wird man hier mit bunten Blumen begrüßt. Ihre einladende Ausstrahlung wirkt sich positiv für unser Wohlbefinden. Ebenso wie die Raumtemperatur, die sich bei ca. 19 Grad Celsius angenehm anfühlt und man weder zu frieren noch zu schwitzen beginnt. Höre dich nun einmal bewusst um, du wirst die Musik bemerken, die durch ihren gemütlichen Rhythmus unser Gehtempo bremst und gleichzeitig ebenfalls für gute Stimmung sorgt.
Der Mensch neigt in all seinen Bewegungen eher dazu nach rechts zu schauen, zu greifen, zu gehen, so auch nach Betreten eines Raumes.
Dies machen sich auch die Händler:innen zu Nutze. Aus diesem Grund startet der Hauptweg – auch Rennstrecke genannt – nach dem Eingang oft leicht nach rechts geneigt und führt anschließend gegen den Uhrzeigersinn an der äußeren Seite durch den Markt. Dies hat zudem den Vorteil, dass man mit der rechten Hand bequem zu den Produkten greifen kann ohne umständlich seine Arme überkreuzen zu müssen.
Wenn man sich bewegt, lässt sich eine asymmetrische Hirnaktivität nachweisen. Dabei ist die linke Seite aktiver als die rechte. Nachdem aber für die Bewegungssteuerung jeweils die entgegengesetzte Gehirnhälfte zuständig ist, begründet man den Rechtsdrall bisher auf diese Weise. Empirisch belegen lässt sich das Verhalten auf biologischer Basis bisher noch nicht durchgängig. Ergebnisse von praxisorientierten Studien können aber bereits zeigen, dass der durchschnittliche Zahlungsbetrag in Supermärkten höher ist, wenn die Rennstrecke gegen den Uhrzeigersinn verläuft.
Warmes Licht von ca. 2.700K lässt die bunten Früchte appetitlicher erscheinen.
Dunkle Körbe wirken modern. Parallel sehen die Produkte farbintensiver aus.
Das Ambiente rundherum erinnert an einen Wochenmarkt und unterstreicht die Frische der Ware.
Feiner künstlicher Nebel gibt dem Gemüse erntefrischen Charme.
Der erste Eindruck muss sitzen, auch im Supermarkt. Und was wäre hier nicht besser geeignet als frisches Obst und Gemüse? Die bunte Vielfalt vermittelt eine große Auswahl und sorgt gleichzeitig dafür, dass das Freudehormon Dopamin ausgeschüttet wird. Mögliche Stress-Situationen werden aufgehoben, man wird fröhlich und kauft mit positiven Gefühlen ein.
Natürlich bietet die Abteilung noch weitere Vorteile: Wie wählst du hier beispielsweise eine Orange aus? Richtig, du beurteilst die Auslage zunächst visuell, anschließend greifst du nach der Frucht deiner Wahl und prüfst sie haptisch auf ihre Qualität, gegebenenfalls riechst du auch daran. Durch das modalitätsübergreifende Produkterleben wird den Kund:innen die Unsicherheit genommen, nicht zu wissen was sie kaufen, und somit das Wohlbefinden gesteigert. Natürlich braucht dieser Vorgang auch Zeit und führt dazu, dass man sein Tempo noch einmal stark verlangsamt – auch Kund:innen, die den Markt kennen, führen den Einkauf nun langsamer fort.
Obst- und Gemüseabteilung
Knusprige Aufbackbrötchen für zu Hause, Brot und Toast dazu, leckere Marmelade, Honig, Nussnougat-Creme und Eier… da sollte einem guten Frühstück nichts mehr im Wege stehen. Schon praktisch, dass im Supermarkt direkt alles in einer Regalreihe steht.
Man versucht den Kund:innen den Einkauf so angenehm wie möglich zu gestalten. Dazu gehört es auch, die Warengrupppen so zu platzieren, wie sie die Konsument:innen wahrscheinlich erwarten werden, um sie so im Idealfall unbewusst durch den kompletten Verkaufsraum zu lenken. Die Produktanordnung innerhalb eines Regals bildet dabei die nächst kleinere Einheit.
Zugrunde liegen dem sogenannte Mental Maps – also Karten in unserem Kopf. Wir können nie alle Reize aus unserer Umgebung verarbeiten, das liegt daran, dass unser Gehirn nur begrenzt Ressourcen hat. Mental Maps helfen uns, Energie zu sparen, Orientierung zu geben und auf Bewährtes zurückzugreifen. Eine der wichtigsten Routinen ist unser Tagesablauf mit den Mahlzeiten – beginnend mit dem Frühstück… Berücksichtigt man diese Denkstrukturen beim Aufbau eines Supermarkts, fühlen sich die Kund:innen entspannt und lassen sich ohne nachzudenken führen.
Frühstücksortiment
Egal ob eine Orange, eine Packung Brot oder ein Glas Honig, vieles kostet X,99€. Dahinter stecken folgende Strategien: Zum einen liest man in abendländischen Kulturen von links nach rechts, d.h. man sieht zunächst die erste Zahl eines Preises und je kleiner die ist, desto mehr freut sich natürlich der Geldbeutel. Gleichzeitig suggeriert die Endung auf 99, dass man bereits den kleinstmöglichen Preis angeboten bekommt, oder dass der Artikel eventuell reduziert ist.
Zum Glück fällt sie dir eben ins Auge, da bräuchtest du nämlich ohnehin bald eine Neue.
Frischetheke
Neben dem lächelnden Verkäufer, läd auch die Auslage zum Kaufen ein – leckerer Käse, knackige Wurst, saftiges Fleisch, frischer Fisch und allem voran der Duft nach Gegrilltem und saftigem Leberkäse. Und ausgerechnet jetzt knurrt auch noch der Magen, am liebsten würde man zu allem „ja“ sagen…
Das Auge isst mit! Gerade auch deshalb spielt es eine essentielle Rolle, die Waren schmackhaft zu präsentieren. Die Auslage in den Frischetheken wird häufig liebevoll verziert und drapiert. Zusätzlich passt man die Beleuchtung an die jeweiligen Produkte an.
Auch das Personal hat Einfluss auf unser Verhalten bzw. unsere Stimmung. Ein freundliches „Hallo“ führt dazu, dass man sich willkommen fühlt. Hat man als Kund:in dann noch das Gefühl, kompetent und fachlich bedient worden zu sein, ist man um so zufriedener.
Aufsteller
Sowohl die Displays hinter der Theke als auch kleine Rezepthefte mit appetitlichen Bildern inspirieren die Kund:innen und verführen zum Kauf.
Um die Frische der Lebensmittel hervorzuheben, werden sie mit der Lichtfarbe angeleuchtet, die natürlich in ihnen vorhanden ist:
Das Eis kühlt natürlich einerseits, zeugt aber auch von der extremen Frische der Meerestiere.
Steaks, Bratwürste, Käse und Holzkohle… Grillen mit Freunden wäre eigentlich auch einmal wieder eine gute Idee…
Einige Verkaufsstrategien bringen Kund:innen unbewusst dazu, ihr Verhalten in eine vorhersehbare Richtung zu lenken. Dabei genügt oft ein kleiner „Schubs“, weshalb man hier auch oft von Nudging spricht.
Beim Cross-Selling bzw. Querverkauf versucht man auf dieses Prinzip aufzubauen: Produkte werden bei Artikeln platziert, die sich gegenseitig ergänzen und so im Idealfall zu Anschlusskäufen anregen. Man orientiert sich hierbei an realen Gebrauchssituationen. Durch das Aufstellen der Holzkohle bei der Frischetheke hat man als Kund:in direkt alles für einen Grillabend beieinander ohne sich dafür anstrengen zu müssen.
Auf ähnliche Weise erfolgt die Verbundpräsentation auch beim nächsten Regal: Was passt wohl am besten zu Nudeln?